Bienenfresser beobachten: Naturschauspiel der Extraklasse
Der Frühsommer hat gerade begonnen, als mein Mentor Hans, ein 75-jähriger Naturbeobachter mit schlohweißem Haar und blitzenden Augen, mich aufgeregt anruft: „Aneta, sie sind wieder da! Unsere Edelsteine sind zurück!“ Keine Stunde später stehe ich mit meiner Kamera an der Sandgrube, wo Hans seit 45 Jahren „seine“ Bienenfresser beobachtet.
Die Magie des ersten Augenblicks
„Schau dort oben!“, flüstert Hans und deutet auf einen Ast. Wie ein lebendiger Regenbogen sitzt er da – mein erster Bienenfresser des Jahres. Das türkisblaue Gefieder leuchtet in der Morgensonne, die gelbe Kehle strahlt wie poliertes Gold. „Atemberaubend, oder?“, schmunzelt Hans, der mein staunendes Gesicht bemerkt.
Meister der Lüfte
Plötzlich stößt der Vogel sich ab. Was dann folgt, ist eine Flugshow der Extraklasse. Wie ein Pfeil schießt er durch die Luft, stoppt abrupt, rüttelt kurz und – zack! – schnappt sich eine Biene. „Pass jetzt gut auf“, raunt Hans mir zu. Der Bienenfresser landet auf seinem Ast und beginnt sein Ritual: Geschickt klopft er die Beute gegen den Zweig, bis der giftige Stachel entfernt ist.
Die geheime Kolonie
In den nächsten Wochen werde ich Stammgast an der Sandgrube. Hans zeigt mir die verborgenen Bruthöhlen, die die Paare wie kleine Tunnelbauer in die Steilwand graben. „Letztes Jahr hatten wir zwölf Brutpaare“, erzählt er stolz. „Als ich 1978 anfing, waren es nur zwei. Damals hat niemand geglaubt, dass sich diese mediterranen Vögel hier heimisch fühlen würden.“
Familienleben im Sandpalast
Eines Morgens erleben wir ein besonderes Schauspiel. Ein Paar füttert seine Jungen – ein perfekt choreografierter Ablauf. „Sie teilen sich die Arbeit“, erklärt Hans. „Bei Bienenfressern gibt es keine Geschlechterrollen. Beide Partner brüten, füttern und verteidigen ihr Revier.“
Dramatische Momente
An einem schwülen Julitag wird es plötzlich dramatisch. Ein Turmfalke nähert sich der Kolonie. Sofort ertönt der Warnruf – „prüit, prüit!“ Die gesamte Kolonie erhebt sich in die Luft. Gemeinsam vertreiben sie den potenziellen Räuber. „Teamwork!“, kommentiert Hans begeistert. „Das macht sie so erfolgreich.“
Kunstflieger mit Familiensinn
Die Jungvögel wachsen erstaunlich schnell. Nach drei Wochen wage ich einen vorsichtigen Blick in eine der Bruthöhlen. Sechs kleine Schnäbel recken sich uns erwartungsvoll entgegen. „Die Eltern fliegen bis zu 1000 Mal am Tag zur Fütterung“, erklärt Hans. „Jetzt verstehst du, warum sie so perfekte Flieger sein müssen.“
Der große Aufbruch
Ende August wird es ruhiger an der Sandwand. Die Jungvögel sind flügge, die ersten Familien bereiten sich auf den Zug vor. „Sie müssen sich jetzt Fettreserven für die lange Reise nach Afrika anfressen“, erklärt Hans. Seine Stimme klingt wehmütig. „Aber keine Sorge, nächstes Jahr sind sie wieder da.“
Was Bienenfresser zum Leben brauchen
Hans hat mir beigebracht, worauf es ankommt:
- Steile, sandige Brutwände
- Insektenreiche Jagdgebiete
- Ruhige, ungestörte Brutplätze
- Ausreichend Sitzwarten für die Jagd
- Warme, sonnige Standorte
Tipps für Beobachter
Durch Hans habe ich gelernt, wie man diese faszinierenden Vögel am besten beobachtet:
- Frühe Morgenstunden nutzen
- Mindestens 50 Meter Abstand halten
- Tarnung und Geduld sind wichtig
- Fernglas und Spektiv verwenden
- Ruhig verhalten, keine hektischen Bewegungen
Häufige Fragen
Wann kommen die Bienenfresser zu uns? „Die ersten treffen meist Anfang Mai ein“, erklärt Hans. „Die Hauptankunft ist aber Mitte Mai.“
Wie tief sind die Bruthöhlen? „Unsere längste war 1,80 Meter“, schmunzelt Hans. „Das haben wir mit einem speziellen Endoskop gemessen.“
Bedrohen sie die Bienenvölker? „Ein klares Nein“, sagt Hans bestimmt. „Sie jagen auch viele andere Insekten. Die Natur regelt das von selbst.“
Ein Blick in die Zukunft
Heute führe ich selbst Besuchergruppen zu den Bienenfressern. Hans‘ Begeisterung hat mich angesteckt. „Du musst die Menschen für diese Vögel begeistern“, hat er immer gesagt. „Nur was man liebt, das schützt man auch.“ Wenn ich in leuchtende Augen schaue, während ein Bienenfresser seine elegante Flugshow zeigt, weiß ich: Hans hatte Recht.